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  • Nachtrag

MISSBRAUCH


Gabriele Kuby, Dezember 2018

„Denn es ist nichts verborgen, was nicht offenbar werden wird, auch nichts geheim, was nicht bekannt werden und an den Tag kommen wird“(Lk 8,17). An den Tag kommt das schockierende Ausmaß von sexuellem Missbrauch in der Katholischen Kirche. Der Leib Christi ist mit Eiterbeulen übersät, welche nun nicht mehr unter Priestergewändern verborgen werden können...

Die säkulare Welt steckt in einem Dilemma. Einerseits ist die Akzeptanz und Förderung von Lesben, Schwulen, Bi-Sexuellen, Transgender-, Intersexuellen-, und Queeren-Personen (LGBTIQ) zur allgemeinen Agenda der Machteliten geworden. Wer es wagt zu widersprechen, riskiert mittlerweile die soziale, politische, berufliche und wirtschaftliche Existenzvernichtung. Andererseits ist die Bloßstellung des (homo)sexuellen Missbrauchs in der Kirche das schärfste Schwert im Angriff auf die Kirche. Die sonst so aggressive LGBTIQ-Lobby verhält sich derzeit ruhig. Sie ist schon fast am Ziel. Ganz am Ziel ist sie, wenn die Kirche die Verurteilung homosexueller Handlungen als objektiv „ungeordnet“ aus dem Katechismus streichen und gleichgeschlechtliche Paare nicht nur segnen, sondern die gleichgeschlechtliche „Ehe“ als gültig anerkennen sollte.

Nur der „Missbrauch“ ist für die meisten Bischöfe und die Medien das Problem, nicht die ausgeübte Homosexualität so vieler Priester und Bischöfe bis in die höchsten Ebenen der Hierarchie. Sie aber ist der Boden, aus dem der Missbrauch erwächst... Um die achtzig Prozent der Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester sind Jungen...

In einer neuen Studie analysiert Fr. Paul Sullins, katholischer Priester und emeritierter Soziologie-Professor der Catholic University of America, drei große Studien über den sexuellen Missbrauch in der Katholischen Kirche der USA: Den Pennsylvania Grand Jury Report von 2018; den Report des John Jay College of Criminal Justice von 2004 und die Untersuchung der Los Angeles Times von 2002. (D. Paul Sullins, Is Catholic clergy sex abuse related to homosexual priests? The Ruth Institute 2018.) Die Ergebnisse zeigen, dass der Anteil von Homosexuellen unter katholischen Priestern in den USA achtmal so hoch ist wie im Durchschnitt der Bevölkerung und dass eine Korrelation besteht zwischen dem Prozentsatz der Priester, die sich selbst als homosexuell bezeichnen und der Anzahl der Missbrauchsfälle von Minderjährigen... Nun ist offensichtlich, dass viele Bischöfe die homosexuelle Subkultur in den Priesterseminaren gedeckt, wenn nicht gar gefördert haben und in den USA mindestens 15 Bischöfe, unter ihnen Kardinal Theodore McCarrick, selbst des sexuellen Missbrauchs beschuldigt werden.

Viele Bischöfe äußern sich zerknirscht, sie hoffen, die Opfer mit ein paar tausend Euro zum Schweigen zu bringen und geloben Maßnahmen der Prävention. Sie wirken weitgehend ratlos, wie dem Übel beizukommen ist. Aber es gibt auch andere Reaktionen. So sagte Kardinal Cupich, Erzbischof von Chicago, die Kirche werde sich von „all dem nicht ablenken lassen“, sie habe „größere Aufgaben“, nämlich „den Obdachlosen und den Kranken zu helfen“. Wieder andere nutzen die historische Stunde, um nun endlich die Abschaffung des Zölibats zu erreichen und die Sexualmoral der Kirche auf den Kopf zu stellen. So ist auf der Website www.katholisch.de von Björn Odendahl, zu lesen: „Es gibt nur einen Weg [die Missbrauchskrise zu lösen]: homosexuelle Priester willkommen heißen und sie als gleichwertig anerkennen (26.09.2018).

Klaus Mertes, Societas Jesu, Direktor des katholischen Eliteinternats St. Blasien, dürfte sich darüber freuen. 2016 war auf eben dieser Internetplattform zu lesen:

"Der Kampf für die Rechte von Homosexuellen weltweit ist ein Projekt, für das es sich lohnt, in der Kirche zu bleiben’, so Mertes. Die Katholische Kirche lehne Homosexualität vor allem deshalb ab, ’weil sie Sex grundsätzlich mit Fruchtbarkeit verbindet. Deswegen hängt an dem Thema für sie letztlich auch das ganze Gebäude der kirchlichen Sexualmoral.’ Hier sei ein Umdenken erforderlich, betonte Mertes (25.05.2016).“

Klaus Mertes hat Recht. Die Katholische Kirche glaubt an einen Gott, der die Liebe und das Leben ist und der will, dass der Mensch lebt und lernt zu lieben, denn nur so kann er das Leben in Fülle erlangen und das ewige Heil.

Anlässlich der akuten Missbrauchskrise spricht Mertes gar vom „homophoben [!] Sumpf, der bis in die höchsten Spitzen der Hierarchie reicht und dort blubbert“ (29.08.2018). Homosexuelle Kokainorgien in den Mauern der Glaubenskongregation scheinen für ihn kein „Sumpf“ zu sein, auch nicht homosexuelle Serientäter als Berater des Papstes, vielmehr das Festhalten an der katholischen Lehre.

Die Katholische Kirche ist keine Festung, welche bei Angriff die Zugbrücke hochziehen könnte. Der Durchbruch der sexuellen Revolution von 1968 erfolgte kurz nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 1965), welches von vielen als eine Lockerung der verbindlichen katholischen Lehre und Praxis wahrgenommen wurde – ob zurecht oder zu unrecht, kann hier nicht diskutiert werden. Jedenfalls trug der frische Wind durch die geöffneten Fenster des Aggiornamento die Samen der sexuellen Revolution in die Kirche, welche dort mit erstaunlicher Geschwindigkeit Wurzeln schlugen und in Lehre und Praxis austrieben.

Paul VI. versuchte mit seiner Enzyklika Humanae Vitae, veröffentlicht im schicksalshaften Jahr 1968, noch einen Pflock einzuschlagen, um das Schiff der Kirche daran festzubinden. Nach ihm setzte Johannes Paul II. alles daran, mit einer Fülle von Lehrschreiben und der tiefschürfenden Theologie des Leibes die Schönheit von Sexualität, Ehe und Familie im Plan Gottes aufleuchten zu lassen – aber vergeblich. Der Glanz der Wahrheit hatte keine Macht mehr, die Strukturen der Sünde in der Kirche aufzubrechen. Sie hatten sich bereits so festgesetzt, dass sie die Transmission der päpstlichen Lehre bis hinein in die theologischen Fakultäten, Priesterseminare, Religionsunterricht und Gemeinden systematisch verhindern konnten. Verkündigung der kirchlichen Lehre über Sexualität – ein Totalausfall seit den siebziger Jahren.

Die sexuellen Sünden konnten wuchern, wurden theologisch gerechtfertigt, im Beichtstuhl für nicht existent erklärt (sofern er überhaupt noch genutzt wurde), in den Priesterseminaren geduldet und vertuscht, bis, wie kann es anders sein, nun an der verbindlichen katholischen Lehre, am depositum fidei gerüttelt wird. Die globale Missbrauchskrise ist die sichtbar gewordene Spitze des Eisbergs der sexuellen Sünde, der nun, Gott sei Dank, ans Licht kommt.

Die normative Normalität der Heterosexualität ist für Christen, die am Wort Gottes festhalten, nicht verhandelbar, siehe Gen 19,1-29, Lev 18,22; Röm 1,24-27, 1 Kor 6,9-10, 1 Tim 1,10. Dies ist im Katechismus der Katholischen Kirche (2016) eindeutig festgehalten (KKK 2357-2359).

Der Mensch, der von Gott abgefallen ist, kann das Licht der christlichen Anthropologie nicht mehr sehen, kann nicht an die Verheißung glauben, sieht keinen Schimmer der Gnade, die es ihm ermöglicht, den Weg zu gehen, der an das Tor des ewigen Lebens führt. Übrig bleibt das kalte „du sollst“, gegen das er aufbegehrt – und der Abgrund der Leiden, der aufreißt, wenn der Mensch seine Freiheit missbraucht und sich dem Heilsplan Gottes widersetzt.

Es scheint, dass die gesamte Kirche von homosexuellen Netzwerken durchsetzt ist, Priesterseminare, Ordensgemeinschaften, Laienorganisationen mit Seilschaften, die bis hinauf zu den höchsten Positionen im Vatikan reichen. Ständig kommen neue schockierende Tatsachen ans Licht von aktiv praktizierter Homosexualität zwischen erwachsenen Klerikern, sexuellem Missbrauch von Priestern, Bischöfen und Kardinälen an überwiegend männlichen Kindern und Jugendlichen und dem großen, jahrzehntelangem Dulden und Vertuschen durch die Bischöfe.

Warum gab und gibt es keinen entschlossenen Widerstand der Katholischen Kirche gegen die Zerstörung des christlichen Fundaments der Gesellschaft? Es sind die Strukturen der Sünde, welche die Kirche lähmen und ihr die Anziehungskraft nehmen. Seit den siebziger Jahren setzte ein Prozess der Entsakralisierung und Verweltlichung der Kirche ein. Papst Benedikt hat diese Entwicklung in seiner Freiburger Konzerthausrede 2011 ins Licht gestellt und „Entweltlichung“ gefordert, aber der Samen fiel auf steinigen Boden. Die Begriffe „Sünde“ und „Schuld“ verschwanden weitgehend aus den Messtexten und Predigten, das Schuldbekenntnis fiel zunehmend unter den Tisch, von den Letzten Dingen wird nicht mehr gesprochen. Über die Lehre der Kirche zur Sexualität zu predigen, ist ein Tabu.

Wird ein Priester, der ein Doppelleben führt, mit Überzeugung über Sünde und Schuld predigen? Doppelleben bedeutet, dass ein Mensch die Lüge zu seiner Behausung gemacht hat. Jesus kann nicht mehr der Fels sein, auf den er sein Haus baut, damit es nicht weggerissen wird im Sturm. Die priesterliche Integrität ist zerrissen.

Wird ein solcher Priester die Sexualmoral der Kirche so darstellen können, dass sie als Höhenweg der Liebe verstanden wird und die Menschen inspiriert? Wird er selbst noch beichten und geistliche Begleitung in Anspruch nehmen? Wird er im Gebet das Angesicht Jesu suchen, sich seinem Licht aussetzen und sich von ihm wandeln lassen? Wird er im Beichtstuhl als Stellvertreter Christi vollmächtig den Sünder auf den Weg der Heiligkeit zurückführen? Werden seine liturgischen Gesten der Heiligkeit dessen gerecht, was sie ausdrücken? Wird er die Muttergottes lieben und ihr unbeflecktes Herz verehren? Wird er die Seelen, für die er verantwortlich ist vor Gott, zum ewigen Heil führen können? Wird er ein Interesse daran haben und in der Lage sein, eine klare katholische Position im gegenwärtigen Kampf um Ehe und Familie einzunehmen, und so seine Gemeinde vor bewusstlosem Mitläufertum bewahren?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Antwort auf all diese Fragen nein ist.

Wer die Lehre der Kirche lebt, wird sie auch verteidigen, denn die Seele jubelt, wenn sie schweren Sünden entronnen ist und aus Liebe zu Jesus die Gebote hält (Joh 14,15). Wer die Lehre der Kirche nicht lebt, wird sie nicht verteidigen, vielmehr an ihrer Verwässerung mitwirken. Wie kann er den Riss in seinem Leben aushalten? Ein Mensch kann nicht dauerhaft in Widerspruch zu seinem Gewissen leben. Er wird deswegen nur zu gern nach theologischen Begründungen greifen, welche den Bruch des Zölibats rechtfertigen. Er wird sozialen Umgang mit Menschen suchen, die ihn darin bestärken. Er wird die Sünde, in der er selbst lebt, bei anderen vertuschen, so wie er das auch von ihnen erwarten kann. Er wird nicht mehr verstehen, dass der Zölibat, ebenso wie die monogame Ehe, Ganzhingabe aus Liebe bedeutet, nicht an einen Menschen, sondern an Jesus Christus...

Ein ewiges Vergelt’s Gott gebührt den treuen Priestern, die es wagen, sich dem mächtigen Druck des Zeitgeistes in den Weg zu stellen und zu riskieren, dass sie ausgegrenzt, diffamiert und um Ehre und Existenz gebracht werden. Sie sind wie Brunnen mit klarem Wasser, aus denen die Menschen ihren Durst nach Wahrheit stillen können. Gott wird ihnen in der Ewigkeit vergelten: „Jeder Mensch, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen“ (Mt 10,32).


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